Erfüllter leben


Übersicht Leuchttürme

Schönheit und Achtsamkeit

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Japan-Gärten sind en vogue – selbst in Heimwerkermärkten finden sich  Steinlaternen, rote Shinto-Tore oder Buddhafiguren. Dass die japanische Gartenkunst aber auch viel Wissen über Achtsamkeit, bewusstes Leben und Nachhaltigkeit bereithält, zeigt ein Besuch beim japanischen Gartenbauer Zensho Shimokawa.

Zensho Shimokawa ist ein ruhiger, aufmerksamer Mann. Mit seiner deutschen Frau und seinem Sohn lebt er in Landshut, sein Haus atmet Gelassenheit zwischen deutscher und japanischer Kultur, mittendrin die Spielsachen des Sohnes. Der kleine Garten ist eher unscheinbar und lässt kaum erahnen, welche Meisterschaft sein Besitzer mitbringt, der seit 2005 auch ordinierter Mönch des Zen-Klosters Eisenbuch bei Altötting ist.

1970 im südjapanischen Fukuoka geboren ließ sich Zensho Shimokawa erst in Japan, dann in Deutschland zum Gartenbaumeister ausbilden. Er lernte in Kyoto, der alten Kaiserstadt, deren Tempelanlagen zu den großartigsten Zeugnissen asiatischer Kultur zählen. Dort kam er intensiv mit der Tradition des Zen-Buddhismus in Berührung. Heute plant und baut er japanische Gärten für jedermann, in Deutschland, Österreich und der Schweiz und betreut u.a. den Japangarten im Münchner Westpark.

In Japan bedeutet „Garten“ oft mehr als ein dekoratives Element oder einen Vergnügungspark - obwohl die auch in Japan häufiger sind als das, was man „spirituelle Gärten“ nennen würde. Die Tradition des japanischen Gartenbaus ist über 1200 Jahre alt und kennt verschiedene Ausprägungen. Allen gemein ist eine tiefe Ehrfurcht vor der Natur, geprägt von ständig auftretenden Erdbeben, Taifunen und aktiven Vulkanen. Diese Ehrfurcht durchzieht die japanische Kultur bis heute; genauso wie die Zen-Kultur mit ihrer Betonung von Reduktion und Schlichtheit spiegelt sie sich in vielen Gärten des Landes: In einem Zen-Garten gibt es nichts, was ohne Bedeutung wäre; und seine Gestaltung, oft nur über Steine und Kiesflächen bzw. mit nur wenigen Pflanzen, möchte den Betrachter auf eine übergeordnete oder verborgene Wahrheit hinweisen, auf das Universum, und den Betrachter zum Teil des Gartens machen.

Europäer begeistern sich oft für diese Gärten -  Gärten, die sich durch ihren so einfachen wie kunstvoll abstrahierten Umgang mit der Natur und ihre genau geplante Wirkung auf Geist und Gemüt charakterisieren. Japanische Gärten, sagt Zensho Shimokawa, möchten die Natur ‚ihrem Wesen nach’ nachbilden und verwenden archetypische Bilder wie Meer, Berge, Felsen, Bäume, die man intuitiv verstehen kann.“ Auch kein Wunder also, dass Shimokawas Kunden sagen, die Gärten vermittelten Ruhe, Entspannung und Harmonie.

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Höhepunkt der spirituellen Gartenbautradition Japans ist der Teegarten. Viele Japaner jeden Alters gehen auch heute der Teezeremonie nach – einer Schulung der Achtsamkeit durch einfache, alltägliche Handlungen: Miteinander eine Tasse Tee trinken, mit Respekt und Bewusstsein sich selbst, dem anderen und der Umgebung gegenüber. Das Teehaus und der dazugehörige Garten wirken oft schlicht, sind aber detailliert durchdacht: Der Garten ist entscheidender Teil der Teezeremonie, und der Weg durch den Garten zum Teehaus ist ein symbolisch angelegter Weg – um Alltagsprobleme zu vergessen, sich zu entspannen und eine tiefere Bewusstseinsebene zu erreichen. Trittsteine z.B. sind so gelegt, dass den Schritt verlangsamen, Bodenmoose geben ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit.Lässt sich das alles so einfach in den westlichen Kulturkreis übertragen? „Die japanische Gartenbautradition ist wie die Palette eines Malers“, sagt Zensho Shimokawa, „aus ihr können zusammen mit dem Auftraggeber die entsprechenden ‚Farben’ gewählt werden.“ Gartengestaltung, findet er, kann zum Austausch der Kulturen führen - so wie die Japaner einst chinesische Vorbilder kopiert und daraus ihre eigene Gartenkultur entwickelt haben. „Es geht nicht um Nachahmung, sondern vor allem darum, sich das Gestaltungsprinzip der tiefen Verbindung zur Natur zu Eigen zu machen. Daraus lassen sich mit einheimischen Materialien ganz eigene Gärten gestalten.“ Grundlage für Shimokawas Arbeit ist das Sicheinlassen auf den Ort, an dem der Garten entstehen soll, auf seine Umgebung, auf die Pflanzen, Steine und vor allem die Menschen, die den Garten möchten. Die Ideale des englischen Landschaftsgartens kommen einem in den Sinn – und tatsächlich schätzt ihn Zensho Shimokawa unter den europäischen Gärten am meisten.

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„Wenn ich ein Projekt mit dem Auftraggeber ausführlich besprochen habe, suche ich zuerst die passenden Steine. Sie sind die energetische Basis, auf der alles andere aufbaut. Man spürt, ob ein Stein oder eine Pflanze für ein Projekt geeignet sind“, sagt Shimokawa. Als Gartenbauer sieht er sich dabei nicht als Schöpfer im eigentlichen Sinn, sondern als Teil des Gesamtprozesses der Entstehung. Es sei wichtig, fügt er hinzu, „nicht zu fixiert zu sein. Steine und anderes ‚lassen sich finden’, wenn man achtsam ist.“

Das Prinzip der Achtsamkeit beim Anlegen eines Gartens bedeutet für Zensho Shimokawa letztlich „der Natur zu dienen. Man bekommt dabei ein Gefühl für Zeit, Raum, für den Umgang mit Pflanzen und Steinen – und ein Gefühl für die eigene Bedeutung, die eigene Arbeit und dafür, das alles miteinander in Verbindung steht. Das Gesamtbild ist wichtiger als herausragende Einzelelemente.“ Eine Einstellung, die gut zur Vision einer nachhaltigen, humanistisch geprägten Zukunft passt - und ein Beweis dafür, wie bereichernd alte Traditionen sein können, seien sie nun spiritueller Art oder aus der Naturbeobachtung gewonnen.

A propos Tradition – als das Gespräch zum Schluss auf die aktuelle Renaissance der Atomkraft in Japan kommt, schüttelt Zensho Shimokawa verständnislos den Kopf. Sein Heimatland scheint aus seinem alten, hochstehendem Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Natur und Mensch  noch nicht genug Nutzen zu ziehen. Nachhaltigkeit, sagt Shimokawa, fange in Japan erst an, Fuß zu fassen: „Deutschland ist da schon wesentlich weiter.“

Allem Anschein nach ist Zensho Shimokawa übrigens der einzige Japaner in Europa, der ausschließlich japanische Gärten gestaltet. Freuen würde er sich, wenn er bei seinen Gärten noch mehr mit fließendem Wasser arbeiten könnte, denn: „Wasser ist wie das Leben – es fließt, und wir fließen auch.“ 

Website: www.sansui-en.de

(Nikolaus Wiesner, April 2015)